Kältetherapie zur Vermeidung von Chemotherapie-induzierter peripherer Neuropathie
Anfrage
Kann die Kühlung von Händen und Füßen bei Patient*innen mit einer Krebserkrankung eine durch Chemotherapie verursachte periphere Neuropathie (CIPN) im Vergleich zur üblichen Behandlung verhindern?
Ergebnisse
Studien
Unsere systematische LiteratursucheSystematische Literatursuche ist ein strukturierter und vorab geplanter organisierter Suchprozess. Das bedingt eine sorgfältige Abwägung der Suchbegriffe, die Auswahl von Datenbanken, die Wahl der Suchmethoden und die Reflexion der während des Prozesses erzielten Suchergebnisse. Dadurch wird das Risiko für Diskrepanzen und Verzerrungen vermieden. (24) identifizierte vier randomisierte kontrollierte Studien (RCTs), die sich mit der vorliegenden Fragestellung befassten. Sie untersuchten den Einfluss von Kältetherapie auf die Häufigkeit von CIPN im Vergleich zu einer KontrollgruppeKontrollgruppe (control group) eine Gruppe von Personen in einer experimentellen Studie (Experiment), die die Standardbehandlung (Standardpflege, Standardbetreuung etc.) erhält, ohne einer Intervention ausgesetzt zu sein. (3), die Standardpflege erhielt. Insgesamt wurden 258 erwachsene Patient*innen mit einem durchschnittlichen Alter von 52 bis 65 Jahren randomisiert. Die Kältetherapie erfolgte in allen Studien an den Händen und Füßen mit unterschiedlichen Methoden sowie verschiedenen Temperaturen. Der überwiegende Teil der Studien untersuchte Kältetherapien bei Therapie mit Paclitaxel, eine Studie bei Therapie mit Oxaliplatin. Eine gepoolte Analyse der Studien war nicht sinnvoll möglich.
Resultate
CIPN bei taxanbasierten Chemotherapien:
- Ein RCT mit hohem Risk of BiasRisk of Bias (RoB; Verzerrungsrisiko) – siehe Begriff Verzerrungsrisiko. (2) und 94 randomisierten Teilnehmerinnen mit gynäkologischen Tumoren und Chemotherapie mit Paclitaxel und Carboplatin, Cisplatin oder Ifosfamid ergab, dass Patientinnen mit Kältetherapie nach zwölf Wochen weniger häufig eine CIPN entwickelten als Patientinnen der KontrollgruppeKontrollgruppe (control group) eine Gruppe von Personen in einer experimentellen Studie (Experiment), die die Standardbehandlung (Standardpflege, Standardbetreuung etc.) erhält, ohne einer Intervention ausgesetzt zu sein. (3) (10 von 35 Personen [28,6 Prozent] vs. 33 von 37 Personen [89,2 Prozent]; Relatives RisikoRelatives Risiko (RR; risk ratio) beschreibt ein Effektmaß für dichotome Variablen. Das relative Risiko in einer Therapiestudie bezeichnet das Verhältnis zwischen dem Risiko in der experimentellen Gruppe und dem Risiko in der Kontrollgruppe. Ein relatives Risiko von 1 bedeutet, dass zwischen den Vergleichsgruppen kein Unterschied besteht. Bei ungünstigen Ereignissen zeigt ein RR < 1 , dass die experimentelle Intervention wirksam ist, um das Auftreten von ungünstigen Ereignissen zu senken. (7) [RR]: 0,32; 95% KonfidenzintervallKonfidenzintervall (confidence intervall) Bereich, in dem der „wahre“ Wert einer Messung (Effektgröße) mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann (üblicherweise 95%-Konfidenzintervall). Die Effektgröße kann dabei z.B. ein Therapieeffekt, ein Risiko oder die Sensitivität eines diagnostischen Tests sein. Das Konfidenzintervall beschreibt die Unsicherheit über die Zuverlässigkeit der Aussage zur Effektgröße. Die Breite des Konfidenzintervalls (KI) hängt u.a. von der Zahl der in die Studie eingeschlossenen Patient*innen ab und wird mit zunehmender Patient*innenzahl enger, d. h. die Effektgröße kann präziser geschätzt werden. (7) [KI]: 0,19–0,55).
- Ein RCT mit unklarem Risk of BiasRisk of Bias (RoB; Verzerrungsrisiko) – siehe Begriff Verzerrungsrisiko. (2) und 44 Teilnehmerinnen mit Brustkrebs und einer Paclitaxel- und ggf. anti-HER2- oder Bevacizumab-Therapie ergab, dass Patientinnen mit Kältetherapie nach zwölf Wochen weniger häufig CIPN entwickelten als jene der KontrollgruppeKontrollgruppe (control group) eine Gruppe von Personen in einer experimentellen Studie (Experiment), die die Standardbehandlung (Standardpflege, Standardbetreuung etc.) erhält, ohne einer Intervention ausgesetzt zu sein. (3) (9 von 22 Personen [40,9 Prozent] vs. 16 von 22 Personen [72,8 Prozent]; RR: 0,56; 95% KI: 0,32–0,99).
- Ein RCT mit unklarem Risk of BiasRisk of Bias (RoB; Verzerrungsrisiko) – siehe Begriff Verzerrungsrisiko. (2) und 43 randomisierten Teilnehmerinnen mit Brustkrebs und einer Docetaxel- oder Paclitaxel-Chemotherapie ergab, dass Patientinnen mit Kältetherapie nach zwölf Wochen ähnlich häufig eine CIPN entwickelten als jene der KontrollgruppeKontrollgruppe (control group) eine Gruppe von Personen in einer experimentellen Studie (Experiment), die die Standardbehandlung (Standardpflege, Standardbetreuung etc.) erhält, ohne einer Intervention ausgesetzt zu sein. (3); das Ergebnis ist statistisch nicht signifikant (11 von 20 Personen [50 Prozent] vs. 10 von 21 Personen [47,6 Prozent]; RR: 1,16; 95% KI: 0,63–2,10).
CIPN bei platinbasierten Chemotherapien (Folfox, Folforinox oder Capox):
- Ein RCT mit unklarem Risk of BiasRisk of Bias (RoB; Verzerrungsrisiko) – siehe Begriff Verzerrungsrisiko. (2) und 77 Teilnehmer*innen mit Tumoren des Verdauungstrakts und Oxaliplatin-Chemotherapie ergab, dass Patient*innen mit Kältetherapie nach zwölf Wochen numerisch weniger häufig CIPN entwickelten als jene der KontrollgruppeKontrollgruppe (control group) eine Gruppe von Personen in einer experimentellen Studie (Experiment), die die Standardbehandlung (Standardpflege, Standardbetreuung etc.) erhält, ohne einer Intervention ausgesetzt zu sein. (3) (0 von 39 Personen [0 Prozent] vs. 7 von 38 Personen [18,4 Prozent]; RR: 0,07; 95% KI: 0,00–1,10).
Fazit
Die Anwendung von Kältetherapie kann das Risiko der Entstehung von CIPN bei bestimmten Chemotherapien reduzieren. Die Studienergebnisse zeigen jedoch keine einheitlichen Ergebnisse über verschiedene Chemotherapien hinweg und sind mit Vorsicht zu interpretieren, da CIPN auch nach Abschluss der Therapie bzw. nach zwölf Wochen auftreten kann. Das Vertrauen in das Ergebnis ist niedrig bis unzureichend. Neue Studien werden mit Sicherheit einen wichtigen Einfluss auf die Einschätzung des Behandlungseffektes/der Intervention haben.
Abbildung 1: Ergebnisse im Überblick
Ausführliche Beantwortung
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